Aaron Valent, MdB
Gerberstraße 10
97070 Würzburg
29. Juli 2025
Martin Heilig
Büro des Oberbürgermeisters
Rückermainstraße 2
97070 Würzburg
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, Martin Heilig
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Heilig,
mit großer Bestürzung nehmen wir zur Kenntnis, dass am Samstag, den 2. August, eine Demonstration unter dem Titel „Europa Erwache“ in Würzburg stattfinden soll. Diese wird organisiert von der NPD-nahen „Division Franken“ und weiteren einschlägig bekannten rechtsextremen Gruppierungen. Der Titel dieser Veranstaltung ist keine harmlose Provokation, sondern eine bewusste Anlehnung an den historischen NS-Kampfruf „Deutschland erwache“, der auf SA-Standarten prangte und zentraler Bestandteil nationalsozialistischer Propaganda war. Heute wird diese Parole unter Rechtsextremen gezielt in abgewandelter Form verwendet, um völkische, rassistische und demokratiefeindliche Ideologie unter einem scheinbar neuen Mantel in den öffentlichen Raum zu tragen.
Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass dies auch eine strafrechtliche Dimension hat. § 86a StGB stellt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe, auch in abgewandelter Form, wenn eine funktionale Gleichwertigkeit zum Original besteht. Der Slogan „Europa Erwache“ erfüllt diese Voraussetzung im Kontext einer von Neonazis getragenen Veranstaltung nach unserer Auffassung in vollem Umfang. Darüber hinaus könnten Inhalte der Versammlung – insbesondere Redebeiträge oder Symbole – eine strafbare Volksverhetzung nach § 130 StGB darstellen. Auch das Versammlungsgesetz (§ 15 Abs. 1 VersG) eröffnet die Möglichkeit, eine Demonstration zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Angesichts der NS-verwandten Rhetorik, der einschlägigen Veranstalter und der absehbaren Wirkung auf das Stadtklima wäre ein solcher Schritt aus unserer Sicht nicht nur rechtlich haltbar, sondern geboten gewesen.
Doch statt eines solchen Verfahrens erleben wir in Würzburg das Gegenteil: Schweigen. Untätigkeit. Kein Versuch, den Rechtsweg auch nur zu beschreiten. Kein öffentliches Signal, kein sichtbarer Einsatz für den Schutz unserer Stadtgesellschaft. Das ist nicht nur politisch enttäuschend, sondern ein fatales Zeichen an alle, die sich tagtäglich gegen rechte Hetze und für eine offene Gesellschaft engagieren.
Umso unverständlicher ist dieses Nichthandeln vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Wahlversprechen. Viele Bürger:innen haben Sie gewählt, weil Sie für ein progressiveres, weltoffenes und klares Würzburg stehen wollten, auch und gerade in Abgrenzung zu rechten Strukturen. Im Wahlkampf haben Sie wiederholt betont, dass Sie für eine demokratische, antifaschistische Stadtgesellschaft einstehen. Dass Sie nun angesichts eines Neonazi-Aufmarschs schweigen, steht im klaren Widerspruch zu diesen Versprechen. Viele Wähler:innen hatten sich ein deutliches Zeichen von Ihnen erhofft – ein Zeichen, das bislang ausgeblieben ist.
Eine Stadt, die Antifaschismus zur Erinnerungskultur erklärt, muss diesen auch im Hier und Jetzt konkret leben: Mit Handlung und mit dem Mut, auch rechtlich schwierige Wege zu gehen.
Wir fordern Sie daher eindringlich auf, nicht länger passiv zu bleiben. Positionieren Sie sich öffentlich gegen diesen Aufmarsch. Prüfen Sie bei rechtsextremen Versammlungen frühzeitig und konsequent die Möglichkeit eines Verbots. In einer Zeit, in der Rechtsextreme wieder marschieren, darf es kein bequemes „Das bringt eh nichts“ geben. Auch ein gescheiterter Versuch kann ein starkes Signal senden: Diese Stadt schaut nicht weg. Sie schützt.
Erfreulicherweise hat sich bereits ein breiter Gegenprotest formiert. Unter dem Motto „Nazi-Kundgebung verhindern!“ ruft ein zivilgesellschaftliches Bündnis am 2. August zur Gegenkundgebung in der Innenstadt auf. Beginn ist um 13.30 Uhr. Ebenso findet eine halbe Stunde davor der „Animal Liberation March“ am Unteren Markt statt. Diese Initiativen verdienen nicht nur Respekt, sondern auch aktive Unterstützung durch die Stadt, etwa durch Infrastruktur, klare Positionierung und Schutz vor Einschüchterung.
Demokratien sterben nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit Gleichgültigkeit. Würzburg darf keine Bühne für Nazi-Propaganda und rechtsextreme Umtriebe bieten. Die Stadt muss ihre Bürger:innen mit allen verfügbaren Mitteln schützen. Zeigen Sie Haltung! Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Mit enttäuschten, aber entschlossenen Grüßen
Mitzeichner:innen
Agnes Conrad, Mitglied des Bundestages
Barbara Meyer, Fraktionsvorsitzende Die Linke im Würzburger Stadtrat
Anna-Maria Dürr, Die Linke im Würzburger Stadtrat
Petra Pohl, Die Linke im Würzburger Stadtrat
Felicia Müller, Kreisvorsitzende Die Linke Würzburg Mainfranken
Markus Heinlein, Kreisvorsitzender Die Linke Würzburg Mainfranken
Birgit Süss, Sängerin und Kabarettistin
Georg Hanna-Keller, ehem. Florakreis Würzburg
Dr. Renate Vieth-Laßmann, Ökopax
Dr. med. Thomas Schmelter M.A., Würzburger Friedenspreis
Sophia Stuhlreiter, Studis gegen Rechts
Weitere Mitzeichner:innen
Florian Benelli
Angelina Stamm
Anastia Schmerbach, Vorstandsmitglied der Linken Würzburg Mainfranken
Saba Hussain
Julian Mader, Vorstandsmitglied Kreisvorstand Die Linke Würzburg Mainfranken
Liam Holtz
Jonas Buhn, Schüler
Olaf Grothues
Maxim Zimmermann
Susanne Beck
Christin Meißner
Elisabeth Zajaczkowska, Kreissprecherin Die Linke Main-Rhön
Alyssa Leimbach
Carolin Martin, Studentin
Sebastian Hawelka
Emily Schwehla
Ramona Wild
Miriam Schwarz
Felix Neger, Vorstandsmitglied Kreisvorstand Die Linke Würzburg Mainfranken
Mars Milyavsky
Dennis Pfeiffer
Klara Schüssler, Mainfraenkische Wohnstätten, Fachkraft
Alex Weismann, Schüler
Benedikt Wronski
Jan Jaegers, Die Linke
Roan Schiller
Leon Bund, Student
Kayla Haag
Christopher Colón Lugo, Student
Anna Kolb, Studentin
Leonie Müller, Erzieherin
Eva Hrapia
Anja Luyken
Lara Müller, Studentin
Hannah Weinmann
Anna Hußlein
Valentin Seinige
Ingrid Endres
Natalie Steglich, Vorstandsmitglied Kreisvorstand Die Linke Würzburg Mainfranken
Dominik Wolf, Student
Zoe Sawade
Janik Rettner
David-Johannes Zipper
Oliver Preuß
Ron Pohle
Katrin Borngässer
Simon Fuhl
Marcel Streit
Dr. Luzia Keupp, Vorstandsmitglied Kreisvorstand Die Linke Würzburg Mainfranken
Klara Rottenberger, Lehramtsstudentin
Lea Müller
Jenny Vettin, Sonderpädagog:in
Mingo Emma Rose Kübert
Christine Wich
Emilia Bamberger
Jülide Ön
Ohenewa Bediako Akuffo
Anouk Freya Moser, Studentin
Lisa-Maria Walter
Christian Mahler
Marie Klein
Dennis Miller
Teresa Rosenitsch